Ständerat steht zu Komplementärmedizin in der Grundversicherung
Der Ständerat spricht sich gegen eine Aushöhlung des Solidaritätsprinzips der Grundversicherung aus: Er lehnt eine Vorlage ab, die zum Ziel hatte, ärztliche Leistungen der Komplementärmedizin aus der Grundversicherung auszuschliessen und diese einem Wahlobligatorium zu unterstellen. Der Ständerat sorgt mit diesem Entscheid dafür, dass wirksame, natürliche und günstige Methoden der Komplementärmedizin ambulant und spitalambulant weiterhin allen Personen zur Verfügung stehen.
Der Ständerat hat heute Donnerstag, 12 Juni 2025, ohne Diskussion eine Motion des Walliser Nationalrats Philippe Nantermod (FDP) abgelehnt, die das Aus für das Solidaritätsprinzip der Krankenkassen-Grundversicherung bedeutet hätte. Nantermod hatte gefordert, dass ärztliche komplementärmedizinische Behandlungen nicht mehr wie bisher automatisch durch die Grundversicherung gedeckt wären, sondern nur wahlweise. Versicherte hätten sich also individuell für oder gegen die Deckung entscheiden müssen, was dem Solidaritätsprinzip des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung KVG widerspricht. Dass die Versicherungsnehmenden solidarisch für alle Leistungen der Grundversicherung einzahlen, auch wenn sie sie nicht selbst beziehen, gewährleistet die medizinische Gleichbehandlung: Nicht alle Menschen können sich eine Zusatzversicherung leisten, kranke und alte Menschen sind sogar vom Abschluss einer Zusatzversicherung ausgeschlossen.
Komplementärmedizin als Vehikel genutzt
Die Co-Präsidentin des Dachverbands Komplementärmedizin und Ständerätin Franziska Roth (SP / SO) ist erleichtert, dass der Ständerat am Solidaritätsprinzip festhält. «Wir vermuten, dass die Komplementärmedizin als Vehikel hätte benutzt werden sollen, um das Solidaritätsprinzip der Grundversicherung auszuhöhlen. Der Vorstoss hätte Tür und Tor geöffnet, jede beliebige andere medizinische Leistung in der Grundversicherung einer Wahlfreiheit zu unterstellen», sagt Franziska Roth. Der Motionär hatte argumentiert, dass bei gewissen komplementärmedizinischen Methoden ausreichende wissenschaftliche Wirksamkeitsbelege fehlten und dass sie «nur» aufgrund des sogenannten Vertrauensprinzips durch die Grundversicherung rückvergütet würden. Nun ist es aber so, dass alle medizinischen Leistungen, die Ärztinnen und Ärzte zur Diagnose und Behandlung von Krankheiten erbringen, dem Vertrauensprinzip unterstellt sind (Quelle: Bundesamt für Gesundheit BAG, 2016). Das Bundesamt für Gesundheit vertraut darauf, dass Ärztinnen und Ärzte nur notwendige, wirksame und wirtschaftliche Leistungen erbringen, die sie aufgrund ihres Fachwissens und ihrer Praxiserfahrung als geeignet betrachten. Ihrer Expertise und Erfahrung kommt hier eine zentrale Rolle zu, da eben gerade nicht für jede Intervention ein streng wissenschaftlicher Beweis vorliegt. Auf Stufe Verordnung ist geregelt, dass und wie die ärztlichen Methoden der Komplementärmedizin den Nachweis erbringen müssen (Art. 35a KVV).
Bundesrat ist gegen Wahlobligatorium
Die Annahme der Motion Nantermod hätte also nicht nur das Solidaritätsprinzip der Grundversicherung, sondern auch das Vertrauensprinzip in Frage gestellt. Dabei ist dieses ein wesentliches Element der schweizerischen Krankenversicherung, da es eine effiziente und kostengünstige Versorgung ermöglicht. Der Bundesrat hatte den Vorstoss bereits bei der Abstimmung im Nationalrat im November 2024 zur Ablehnung empfohlen, mit dem Verweis: «Wahlleistungen wären nicht mehr obligatorisch und nicht mehr solidarisch durch alle getragen». Abzuklären, ob und wie ein Wahlobligatorium in der Grundversicherung überhaupt umsetzbar wäre, bleibt Bundesrat und Verwaltung nun erspart.
Die Bevölkerung will Komplementärmedizin
Die Übernahme der ärztlichen Komplementärmedizin durch die Grundversicherung geht auf einen Volksentscheid von 2009 zurück. In den vergangenen Jahren hat sich die Komplementärmedizin zu einem wichtigen Pfeiler der Grundversorgung entwickelt: Zwei von drei Personen in der Schweiz geben heute an, Komplementärmedizin zu nutzen, das zeigt die Studie «KAM-Barometer 2024», die auch die nichtärztlichen Therapien berücksichtigt, die in den Zuständigkeitsbereich der Zusatzversicherungen fallen.
Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten der ärztlichen Leistungen der Akupunktur, anthroposophischen Medizin, Arzneimitteltherapie der Traditionellen Chinesischen Medizin, klassischen Homöopathie und Phytotherapie. Alle ärztlichen komplementärmedizinischen Leistungen können nur von Ärztinnen und Ärzten abgerechnet werden, die über einen Facharzttitel und eine komplementärmedizinische Weiterbildung verfügen.